
Inspiriert wurde ich zu diesem Blogartikel auf der Sommerakademie in Zakynthos, von der auch die Fotos stammen.
Bei einer Chorprobe hatte sich eine entzückende, ältere Dame ganz fest verschluckt und kämpfte mit dem Luftholen. Ein heftiger Hustenreiz packte sie. Wir vom Chor hielten besorgt inne, um zu sehen, wie es ihr ginge. Sie kehrte tapfer in die Reihen zurück, erfüllt von Unbehagen, uns „aufgehalten“ zu haben und sagte den unnachahmlichen Satz: „Ich geh später husten.“
Wie sehr wurde uns Disziplin und das Sich-nicht-so-wichtig-Nehmen anerzogen, sodass wir selbst deutliche Impulse des Körpers ignorieren, um zu funktionieren.
Dies führt mich zu den drei Fragen, die du dir ruhig öfter stellen könntest (und ich mir auch):

Was brauche ich?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Wenn wir es nicht gewohnt sind, uns dies zu fragen, spüren wir es ungenügend und antworten gerne automatisch und voller Bescheidenheit mit: „Nichts, danke“ oder „Es passt schon.“
Im Gegenzug dazu sind wir bestens darin, zu erahnen, was die anderen brauchen könnten.
Ich merke oft bei mir, dass ich zu viel für andere antizipiere, was denn ihr Bedürfnis sein könnte, und dann diese Ahnung erfülle. Aha, dieser Arzt ist gestresst, daher stelle ich von meinen drei Fragen nur eine oder ich entschuldige mich bei einer Therapeutin, dass sie so schwer arbeiten muss, weil mein Nacken verspannt ist. Jemand hat einmal zu mir gesagt: „Wie sich andere organisieren, ist nicht deine Angelegenheit, sondern liegt in deren Verantwortung.“ Das hilft mir (manchmal).

Was will ich?
Eine Möglichkeit, besser in Kontakt mit den eigenen Bedürfnissen zu kommen, ist das Schreiben. Dadurch klärt sich die Spreu vom Weizen, sprich die eigenen Werte und Lebensvorstellungen im Großen wie im Kleinen zeigen sich deutlicher.
Ich habe erkannt, dass für mich ein respektvoller und wertschätzender Umgang mit mir, meiner Arbeit und meiner Zeit und meine Freiheit wichtiger sind als ein regelmäßiges Einkommen und ein routinierter Alltag. Daher verzichte ich auf Möglichkeiten, wo ich das eine dem anderen opfern müsste, selbst wenn es von außen betrachtet seltsam wirkt.
Im Gegenzug dazu steht die Frage „Was werden denn die Leute denken?“ Hier habe ich zweierlei gelernt: Einerseits sind die meisten so mit sich und ihrem Leben beschäftigt, dass sie dies in einem viel geringeren Maße tun, als oft befürchtet, und andererseits ist es fraglich, inwieweit das überhaupt relevant ist. Mir gefällt hier der Ansatz von Rene Brown, die sich auf eine Rede von Theodore Roosevelt bezieht, dass ich ohnehin nur an der Meinung derer interessiert bin, die selbst „in the arena“ stehen. Nur wer selbst z. B. auf einer Bühne gestanden hat, dessen Einschätzung und Expertise hat überhaupt Gewicht, wenn es um eine Ansicht über meine Performance on stage geht. Und auch dann kann ich immer noch entscheiden, inwiefern eine Bewertung für mich Bedeutung hat.

Wer bin ich?
Wenn du dich in einer Runde vorstellen möchtest, mit welchen Worten tust du das?
Wo liegt der Fokus deiner Identität? Bei mir hat es einen großen Unterschied gemacht von „Ich bin Lehrerin und schreibe (ein bisschen).“ zu „Ich bin Autorin und unterrichte auch.“
Interessant ist jedenfalls, dass der Schwerpunkt meistens auf dem Beruflichen liegt. Ich habe allerdings auch schon gehört: „Ich bin die Frau von …, Mutter von …, der Sohn von …“ Es lohnt sich, hinter diese Zuschreibung zu blicken und die eigene Identität genauer zu formulieren.
Für mich gilt „Ich bin Lehrende und Lernende, Schreibende und Lesende, Gestaltende und Forschende, multipassionate und sensitive, Partnerin mit meinen Liebsten und anderen Menschen, ob privat oder beruflich, auf Augenhöhe, und immer mehr Findende, und viele mehr…“
Wann immer allerdings die Frage der inneren Kritikerin auftaucht, die lautet: „Wer glaubst du denn, dass du bist?“, dann antworte wie ich oben und bringe sie so zum Schweigen.

Um dein Ideenrepertoire zum Wohlfühlen zu erweitern, lade dir doch meine Tipps dazu unter „Wintering“ herunter.
Aus dem langen und heißen Sommer komme ich zurück in einen Herbst mit zahlreichen neuen und spannenden Ideen – durch den Newsletter erfährst du automatisch von den wichtigsten Terminen, Angeboten und deinen Möglichkeiten.
Alle Liebe und auf bald,
Gudrun
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